Und wenn sie nicht gestorben ist, dann bedankt sie sich noch heute.

Mit »Thank you. You’re welcome. Thank you. You’re welcome. Thank you.« fokussiert Karolin Poska Fragen, die alle Theaterbesucher*innen betreffen, und geht in einen interaktiven Austausch mit ihrem Publikum. Unsere Autorin hat gerne mitgeklascht.

Es ist klar, was zu tun ist: Ticket kaufen, Kaltgetränk im Foyer schlürfen, eine hektische Zigarette und dann schnell in den Saal, wo alle anderen schon sitzen und darauf warten, dass die Türen sich schließen und die Beleuchtung im Zuschauerraum aus geht.

Letzteres passiert heute Abend erstmal nicht. Stattdessen steht Karolin Poska grinsend in gelben Hosenrock und zwei kleinen Zöpfen auf dem Kopf hinter einem Mikrophon und bedankt sich: bei Kenn-Eerik Kannike für das Sounddesign, bei Ivar Piterskihh für die Beleuchtung, bei Kaie Küünal für ihre dramaturgische Mitarbeit, bei den Besitzer*innen der Fahrräder die das OUTNOW!-Team bereitstellt und auch beim OUTNOW!-Festival selbst, sowie bei allen Institutionen, die Poskas Arbeit koproduziert haben. Gewissenhaft klatscht der versammelte Publikumssaal.

Applaus als rituelle Wertschätzung einer Inszenierung ist bekannt und dient als nonverbales Feedback zwischen Akteur*innen und Beobachter*innen. Poska bricht mit dieser Tradition, indem sie die Bewegung des Klatschens zum Inhaltsschwerpunkt ihrer Performance erklärt. Szenen voller Tölpelhaftigkeit – Darstellungen selbstkomponierter Melodien, Wassertänze und pantomimisches Feuerschlucken, jeweils gekleidet in persönlichen Anekdoten – formen das Grundgerüst der ersten halben Stunde: ein kollektives Auftauen, unterstützt von der körperlichen Anstrengung des Klatschens und geleitet durch den transparenten Handlungsfaden der Performerin. Die unschuldige Naivität, mit der sie ihre Stücke zur Schau stellt, ist bestechend amüsant und schmerzhaft komisch.

»Thank you. You’re welcome. Thank you. You’re welcome. Thank you.« ist dem Mittel der Repetition treu, der unbeschwerte Spaß an der Sache bröselt aber unaufhaltbar nach der letzten Gesangseinheit. Bereits geübt applaudieren die Zuschauenden, Poska spiegelt die rhythmischen Handbewegungen im schwarzen Bühnenkasten, die Stimmung ist euphorisch. Wie gewohnt verebbt das Klatschen nach kurzer Zeit, nur Poska schlägt unermüdlich ihre Handflächen aneinander.

Glühende Handflächen

Erst erinnert das An- und Abschwellen des gemeinsamen Applauses an Musizieren, es kippt jedoch in eine bedrohliche Praxis, der Poska bald alleine eine neue exzessive Qualität verleiht. Ihre glühenden Handinnenflächen rasen auf ästhetisch selbstquälerische Weise immer wieder aufeinander zu. Peinliche Unruhe im Publikum: Will Poska, die kurz davor noch zur Interaktion animiert hat, unterbrochen werden? So peinlich das voyeuristische Beobachten ist, so fließend mannigfaltig sind die rhythmischen Bewegungen ihres Körpers.

Die Performerin schafft durch ihren Einsatz, das Publikum mit sich selbst zu konfrontieren und fordert dazu auf, seine Rolle und Verantwortung als eigentlich anonyme Masse zu hinterfragen. Die zur Schau gestellte Verletzlichkeit Poskas und ihr andauerndes Brechen mit Konventionen kann als Widerstand gelesen werden, dessen intensiver körperlicher Effekt dazu aufruft, auch außerhalb der geschützten Rahmung Gewohnheiten kritisch zu beäugen.

Ein Ende gibt es an diesem Abend in der Schwankhalle nicht. Poska lässt sich durch den erkämpften Schlussapplaus auf die Bühne zurückrufen bis alle den Raum verlassen. Wer spielt hier und mit wem wird gespielt?

Das Programmheft fragt, ob es gelingen kann den Moment der Aufführung selbst zur Aufführung zu machen – die Antwort: Ja, unbedingt.

Beitragsbild (c) Cássia Vila