Die Theaterschaffende Luise März eröffnet in I Wish I Was A .Jpg eine neue Form des Erzählens. Melancholie und Dauerschlaf plätschern durch ihre bildstarke Performance und schaffen einen Gegenpol zu Tatkraft und Leistungsgesellschaft.

Wir treiben auf einem See. Nebelschwaden ziehen langsam über uns hinweg. Wasser plätschert, im Hintergrund erklingt sphärische Musik. Unsere Augen sind geschlossen. Wir träumen. Wir schlafen. Wir sind melancholisch.
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Außerhalb von unserem Schutzraum befindet sich eine Gesellschaft, die funktioniert, oder zumindest glaubt, es zu tun.
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Die freie Theatermacherin Luise März nimmt uns mit auf eine meditative Reise und konfrontiert uns in I Wish I Was A .Jpg mit unseren Widerständen gegen den Stillstand und das Nichtstun. Sie zwingt uns zum Aushalten, lässt uns träumen. Mit ihrer szenischen Installation aus sphärischem Klang und diffusem, kaum vorhandenem Licht baut sie einen Schutzraum, der uns ein Dasein außerhalb des Funktionierens ermöglicht.
Was macht eigentlich ein JPG aus? Warum hat jemand den Wunsch, ein Dateiformat zu sein? Und was hat das JPG mit Melancholie zu tun?
JPGs sind komprimierte Bildformate, die überall auf unseren Endgeräten rumliegen. Meist vergessen, eine Oberfläche voller Pixel, ein minimaler Datensatz. Viel ist von ihnen nicht zu erwarten. Ein beneidenswerter Zustand?
Der Raum liegt im Dunkeln, eine Stimme spricht aus dem Off: „Es ist offensichtlich an der Zeit, dass ich mich auslogge. Ich schließe meinen Internetbrowser, wähle das Starticon in der Taskleiste am unteren Rand des Desktops an und gebe den Befehl zum runterfahren.“
Das MacBook geht zu, der Bühnenraum geht auf.
Den Dauerschlaf des JPGs transformiert die Theatermacherin in ihre Bühneninszenierung. Ein Springbrunnen plätschert, Schilf wächst, Nebelschwaden ziehen langsam vorbei.
„Die Objekte auf der Bühne haben keine Eigenschaften“, sagt März im Gespräch, „sie sind einfach da.“
Auch die zwei Darsteller*innen sind irgendwie einfach da. Alles existiert über 50 Minuten selbstgenügsam vor sich hin. „Die Inszenierung ist weniger von Darsteller*innen abhängig, als von der Technik“, kommentiert März.
Licht, Nebel, Ton, Bilder auf einer Leinwand, die Wasserfontäne – alles ist aufeinander abgestimmt. Die Darsteller*innen hingegen stehen mal neben, mal in dem Teich. Gehen, nein, schweben um ihn herum. Die Handlungen sind zurückgenommen, wirken tatenlos.
Melancholie und Tatenlosigkeit sind inhaltlicher und formaler Gegenstand des Stückes. „Es ist eine positive Sicht auf Melancholie und auf Verweigerung.“, erklärt Luise März zu ihrem Stück. In ihren Inszenierungen würde sie Räume erschaffen wollen, in denen Geschichten auf unkonventionelle Weise erzählt werden können. „Es wird keine klassische Theaterdramaturgie bedient. Es ist viel mehr ein essayistischer, assoziativer Ansatz“, sagt die Kulturschaffende. Die Erwartungen an einen ereignisreichen Theaterabend mit greifbarer und eindeutiger Narration sollen gebrochen werden.
Als Zuschauer*in wird man auf sich selbst zurückgeworfen. Fragt sich, in weit man sich auf die meditativen Momente einlassen kann – vor allem vor dem Computer. „Ein Stück, das am Bildschirm vielleicht mehr Disziplin fordert“, meint März, weil so viel „nichts“ passiert.
Das eigentliche Raum-Erlebnis ist in der digitalen Rezeption nicht erfahrbar. Der eigentlich intendierte immersive Charakter der Inszenierung geht zum Großteil durch den Stream verloren.
Trotzdem bleibt etwas: Ein Moment der Ruhe, des Verweilens. Vielleicht auch der Müdigkeit und ein Zugeständnis an den Schlaf, der nicht nur als verlorene Zeit, sondern im Gegenteil, als antikapitalistische Praxis in unserer Leistungsgesellschaft verstanden werden kann. „Einfach nicht immer available sein“, sagt März.
Die On-Demand-Funktion des Streams erfüllt letztlich dann noch ein im Stücktext formulierten Wunsch: „Ich wünschte, ich könnte das irgendwie behalten. Und wiedergeben und wiedergeben und wiedergeben und….“.
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Wir schlafen.
Mareike Rabea Knevels, Anna Maria Zimmermann