Entschuldigen für Anfänger*innen und Fortgeschrittene

In dem Stück How To Excuse setzt sich das Kollektiv &sistig aus sechs Performer*innen mit der Frage auseinander, wie mensch sich richtig entschuldigt. Zwischen der Musik von Madonna und der Schlange aus dem alten Testament bewegen sich die Performer*innen auf der Bühne durch das Zeitgeschehen.

© Jonas Fischer

Wie können Menschen sich entschuldigen? Was gehört zu einer Entschuldigung dazu? Und gibt es Dinge, die unentschuldbar sind? Diesen Fragen geht das Stück HOW TO EXCUSE des Kollektivs &sistig mit sechs jungen Performer*innen auf der Bühne nach. Die Inszenierung zeigt: Entschuldigen ist eigentlich gar nicht so schwierig. Und gleichzeitig doch wesentlich komplexer, als anfänglich vermutet. Denn: Entschuldigungen reagieren auf Handlungen. Und wie gehen wir damit um, wenn es Handlungen gibt, für die eine rein sprachliche Entschuldigung nicht ausreicht? Eine Stunde lang begleiten wir die Performer*innen dabei, Entschuldigungen einzuüben. Nacheinander schlüpfen sie in die Rolle unterschiedlicher historischer Figuren und erkunden die Möglichkeit der Entschuldigung: Wir hören Christoph Kolumbus zu, Marie Antoinette und auch der Schlange aus dem Alten Testament. Dabei stellt sich immer wieder die Frage: Ist das eine ehrliche Entschuldigung? Können wir diese als solche anerkennen? Oder fehlt da noch was?

Es gibt einen Moment in der Inszenierung, in dem eine Performerin Pumla Gobodo-Madikizela, Mitglied der Wahrheitskommission, zitiert. Die Wahrheitskommission oder auch Versöhnungskommission widmete sich ab den 1980er-Jahren der Aufarbeitung der politischen Verbrechen zur Zeit der Apartheid in Südafrika. Die Performerin zitiert: „Wenn Täter*innen sich mit ihren Taten auseinandersetzen, konfrontieren sie sich mit einer Seite ihrer selbst, mit der sie nur schwer umgehen können. Reue ist eine Art Selbstbestrafung. Deswegen wollen viele Täter*innen ihre Taten nicht bereuen. Sie ertragen es nicht. Taten können böse sein, aber Reue niemals. Reue ist ein essenzieller menschlicher Akt. Fühlen Täter*innen echte Reue, verwandeln sie sich in ein verwundetes Individuum. Ich nenne das Paradox der Reue. Es ermöglicht den Opfern sich von dieser Reue berühren zu lassen.“

Dieser Augenblick ist unglaublich stark – die Performerin liest das Zitat mehrmals vor, während im Hintergrund die anderen Performer*innen ihr Gesicht verdecken, zu Boden schauen, sich auf den Oberschenkel schlagen – Scham scheint der Reue hier ganz nah zu sein. Und das scheint mir auch ein generelles Problem: Menschen schämen sich, es ist ihnen unangenehm, zuzugeben, dass sie einen Fehler gemacht haben. Dabei sind Fehler menschlich. Es gibt Fehler, die sehr groß sind, und wo andere entscheiden müssen, ob sie die Entschuldigung für diese Fehler annehmen wollen, oder auch nicht. Aber was sich durch die Inszenierung zieht: Wenn Menschen aufrichtig und ehrlich zeigen, dass sie einen Fehler gemacht haben, sich dessen bewusst sind und die Verantwortung dafür übernehmen – dann können Menschen auch verzeihen . Als Beispiel wird hier die Bundestagsabgeordnete Aydan  Özoğuz angeführt. Der AfD-Politiker Alexander Gauland hatte sie 2017 öffentlich rassistisch beleidigt. In einem Interview, das auf der Bühne in einem Fernseher gezeigt wird, sagt Özoğuz, dass sie Gauland dafür verzeihen könnte – wenn dieser sich entschuldigt und zeigt, dass er sich seinen Handlungen bewusst ist. Und diese aufrichtig bereut. Die Politikerin fügt hinzu, dass – wie wir uns sicher alle denken können – dies aber wahrscheinlich nie passieren wird.

 Am Ende der Aufführung wird jedoch deutlich gezeigt, dass es manchmal mehr braucht, als ein bloßes „Es tut mir leid“ – beispielsweise, wenn es um die Kolonialverbrechen Deutschlands an den Herero und Nama in Namibia geht. Für den Völkermord von 1904 bis 1908 hat sich Deutschland nie entschuldigt oder Reperationen gezahlt, erfahren wir von der Bühne. Sie weisen auf die Ignoranz der deutschen Regierung hin: Während vier Performer*innen die Bühne abräumen, zählen im Vordergrund zwei weitere die Versäumnisse und die ausstehenden Entschuldigungen der deutschen Regierung auf – Spoiler: Es sind einige.

Zu Entschuldigungen gehören manchmal mehr als nur Wörter. Ein Vorschlag: Wie wäre es denn, wenn die deutsche (Bundes-)Regierung mal an einem Entschuldigungstraining der Gruppe teilnimmt? Ich denke, dass sie da noch einiges lernen könnte. 

Lea Terlau
(Eine weitere Besprechung zu How To Excuse gibt es hier von Julia Gudi.)

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